Fomalhaut ist nicht nur ein Stern mit einem ungewöhnlichen Namen (er kommt aus dem arabischen und bedeutet “Maul des Wals”), er hat auch einige ungewöhnliche Eigenschaften. Er wird zum Beispiel von einer großen Scheibe aus Staub umgeben. So ähnlich wie auch der Stern Beta Pictoris (über den ich hier geschrieben habe). Eine Staubscheibe ist an sich noch nichts dramatisch außergewöhnliches. So etwas haben viele Sterne. Entweder handelt es sich dabei um eine protoplanetare Scheibe, also die ursprüngliche Gas- und Staubwolke, aus der die Planeten entstehen. Oder es sind Trümmerscheiben (“debris disks”). Sie entstehen erst später, aus dem Staub, der bei Kollisionen zwischen Asteroiden erzeugt wird. Für Astronomen sind die Trümmerscheiben immer dann besonders interessant, wenn sie Strukturen aufweisen. Denn das ist ein Hinweis auf die Existenz von Planeten! Und bei der Trümmerscheibe von Fomalhaut hat man nun ganz außergewöhnliche Strukturen gefunden!
Der Staub um einen Stern ist oft in verschieden dicken Ringen organisiert. Daraus folgt, dass auch die Asteroiden, die den Staub produzieren, in Ringen um den Stern angeordnet sind. Das darf man sich nicht exakt so wie zum Beispiel beim Saturn vorstellen. Oder wie in den Science-Fiction-Filmen, wo die Raumschiffe immer Slalom um die Asteroiden fliegen. In den “Asteroidenringen” bzw. Asteroidengürtel in unserem Sonnensystem befinden sich zwar viele Asteroiden – aber zwischen ihnen ist enorm viel Platz. Der Flug durch so einen Staubring würde sich nicht wesentlich vom Flug durch den Rest des Alls unterscheiden. Wir können den Staub nur deswegen so gut beobachten, weil die unzähligen kleinen Staubkörner zusammen eine so große Oberfläche haben (in unserem Sonnensystem ist die gesamte Oberfläche des interplanetaren Staubs größer als die gesamte Oberfläche aller Planeten) und daher die Wärme gut abstrahlen können, die sie vom Stern erhalten.
Wärme ist Infrarotstrahlung und die können wir zwar mit unseren Augen nicht sehen, aber dafür mit unseren Teleskopen! In der chilenischen Wüste wird gerade das Atacama Large Millimeter Array (ALMA) in Betrieb genommen. Es ist zwar noch nicht ganz fertig, aber liefert jetzt schon tolle Daten:
Wir sehen hier in blau Aufnahmen der Staubscheibe, die schon früher vom Hubble-Weltraumteleskop gewonnen wurden. Orange sind die neuen Daten von ALMA. Man erkennt gut, dass hier der Ring eine scharfe Grenze besitzt. Hubble, das nur das auch für uns Menschen sichtbare Licht wahrnehmen kann, kann damit nur kleine Staubkörner sehen. Die werden vom Sonnenwind durchs All geblasen und überall verteilt. ALMA sieht langwelligeres Licht und damit auch größere Staubkörner. Sie sind etwa einen Millimeter groß und lassen sich nicht mehr so leicht vom Sonnenwind durch die Gegend schieben. Um herauszufinden, welche Art von Staub welche Art von Strahlung abgibt, braucht man übrigens die erst kürzlich hier beschriebene Laborastronomie.
Der dünne, klar begrenzte Ring aus Staub muss auf einen ebenso schmalen und begrenzten Ring aus Asteroiden zurückzuführen sein. Und hier kommen nun die Planeten ins Spiel! Wenn wir die Asteroidengürtel in unserem Sonnensystem betrachten, dann sehen wir, dass ihre Struktur von den großen Planeten bestimmt ist. Das trifft ganz besonders auf den Hauptgürtel zwischen der Bahn von Mars und Jupiter zu. Die Resonanzen mit dem großen Jupiter erzeugen Lücken und Anhäufungen. Auch beim ferneren Kuipergürtel sorgt der Neptun für einige Strukturen. Der Ring von Fomalhaut ist allerdings wirklich dünn. In der Arbeit “Constraining the Planetary System of Fomalhaut Using High-Resolution ALMA Observations” haben Aaron Boley von der Universität in Gainesville und seine Kollegen einige Erklärungen dafür gefunden. Vielleicht ist es bei Fomalhaut tatsächlich ähnlich wie bei uns. Ein einziger Planet sorgt mit seiner Gravitationskraft dafür, dass die innere Grenze des Asteroidengürtels immer klar begrenzt bleibt. Dann muss aber irgendwie dafür gesorgt werden, dass die äußere Grenze ebenfalls nicht ausfranst. Hier könnte eine nahe Begegnung mit einem anderen Stern dafür gesorgt und das komplette äußere Material entfernt haben. Es wäre aber thereotisch auch möglich, dass hier zwei Planeten kollidiert sind, und so einen dünnen Ring aus Trümmern erzeugt haben.
Viel wahrscheinlicher ist es allerdings, dass hier zwei “Schäferplaneten” am Werk sind. So etwas kennen wir schon vom Saturn. Auch der hat Ringe und Monde, die diese Ringe strukturieren. Die spezielle gravitative Wechselwirkung zwischen Monden und Staubteilchen kann hier ganz besonders schmale Ringe erzeugen. Das kann man in dieser Animation schön sehen, die aus Aufnahmen der Raumsonde Cassini erstellt wurde und die Saturnmonde Prometheus und Pandora zeigt, die dafür sorgen, dass der “F-Ring” immer schön schmal bleibt:
Es ist nicht schwer zu verstehen, was hier passiert. Erinnern wir uns an das dritte Keplersche Gesetz. Je größer die Umlaufbahn eines Himmelskörpers, desto länger die Umlaufzeit. Der innere Mond bewegt sich also schneller als die Teilchen des Rings und sie bewegen sich schneller als der äußere Mond. Und dann müssen wir noch die Energie betrachten. Ein weiter entferntes Objekt bewegt sich langsamer und hat weniger Bewegungsenergie (kinetische Energie). Es hat aber mehr potentielle Energie (genauso wie ich hoch oben auf einem Berg viel potentielle Energie habe – was sich tragisch bemerkbar macht, wenn ich vom Berg falle und die Energie am Boden wieder in kinetische Energie umgewandelt wird). Bei den Ringen des Saturn überwiegt die potentielle Energie. Ein Objekt, dass den Saturn weiter entfernt umkreist, hat also insgesamt (kinetische plus potentielle Energie) mehr Energie als ein Objekt, das näher an Saturn ist. Verringert man also die Energie eines Objekts, dann wird es näher an den Saturn rücken, erhöht man die Energie, dann entfernt es sich.
Der äußere Mond läuft also den Ringteilchen hinterher und er bremst sie mit seiner Gravitationskraft. Die gesamte Energie wird verringert und die Ringteilchen nehmen neue Bahnen an, die näher an Saturn liegen als vorher. Der innere Mond bewegt sich schneller als die Ringteilchen. Er beschleunigt sie, erhöht damit ihre Energie und hebt sie auf weiter entfernte Bahne. Der äußere Mond drückt die Staubteilchen also nach innen und der innere Mond nach außen. Am Ende haben wir einen stark fokussierten, dünnen Ring. Solche Monde nennt man “Schäfermonde” (“sheperd moons”).
Genau das soll auch bei Fomalhaut passieren. Hier sollen es keine Monde sein, sondern zwei kleine “Schäferplaneten”, die den großen Staubring bändigen. In Computersimulationen haben Aaron Boley und seine Kollegen berechnet, welche Eigenschaften sie haben müssen. Zwei Planeten, der eine etwas schwerer als die Erde, der andere etwas schwerer als der Mars wären genau richtig als Schäferplaneten. Tatsächlich entdeckt hat man sie allerdings noch nicht. Sie sind klein und leuchten ja nicht selbst. Der Ring und damit auch die Planeten befinden sich auch weit vom Stern entfernt, mehr als 140 Mal weiter entfernt als die Erde von der Sonne. Damit wären sie mit den Standardmethoden (Radialgeschwindigkeitsmessung, Transitbeobachtung) nicht zu finden; man müsste dafür den Stern ein paar Jahrhunderte lang beobachten. Aber eine direkte Beobachtung wäre hier vielleicht irgendwann möglich. So hat man ja auch schon den ersten Planeten von Fomalhaut entdeckt. Auch bei Beta Pictoris wurde ein Planet direkt beobachtet, dessen Existenz man vorher nur aufgrund von Strukturen in der Staubscheibe vermutet hatte (ich habe früher selbst entsprechende Vorhersagen gemacht).
Bill Dent, Mitglied des Forscherteams um Boley, sagt angesichts dieser Entdeckung:
“This is just the beginning of an exciting new era in the study of disks and planet formation around other stars.”
Allerdings! Vor allem wenn man bedenkt, dass ALMA noch nicht mal fertig gestellt ist! Wenn diese Teleskopanlange erstmal komplett ist, werden wir noch ganz andere Dinge entdecken…
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